Es war im Mai '21, als der Call kam.
Ein kleines Menschlein sollte per Kaiserschnitt geboren werden und ein Fotograf sollte zum OP-Zeitpunkt dort sein, weil man nicht wusste, wie lange das Kind denn leben wird und Lebendbilder waren hier gewünscht.
Ich meldete mich und rief in der Klinik an. Man teilte mir mit, dass die OP die erste des Tages sei, etwa gegen 9 Uhr, sie wollten mich aber kurz vorher anrufen.
Ich überlegte, was „kurz vorher“ wohl heißen mag und ging lieber auf Nummer sicher, so dass ich mich gegen kurz nach 8 auf den Weg zur Klinik machte, mir noch einen Kaffee holte und dann auf dem Parkplatz dort auf den Anruf wartete.
Gegen kurz nach 9 klingelte das Handy. Ich könnte kommen. Ein Parkticket zog ich nicht, weil ich mein Kleingeld blöderweise für den Kaffee ausgegeben hatte. Ich legte die DSK-Parkscheibe ins Auto und dachte „Sonst zahl ich eben die 15€, egal.“
Vor Ort in der Klinik wurde ich erst einmal zum Coronatest geschickt, weil das Kind ja lebend zur Welt kommen und ich den Op-Bereich betreten würde.
Op-Bereich betreten ? Ich war etwas überfordert, konnte aber nicht lange darüber nachdenken, weil ich dann doch recht plötzlich, als ich vom Test zurück kam, direkt abgefangen und in einen Umkleideraum gebracht wurde. „Komplett umziehen bitte, auch die Schuhe !“
In meiner grünen Montur, in der ich aussah wie Klinikpersonal nur mit Kameratasche, ging ich zu dem wartenden Vater. Gemeinsam warteten wir darauf, dass eine Schwester uns in den OP-Bereich brachte.
Solange redeten wir. Er erzählte, dass das Kind das Amniotische-Band-Syndrom und dadurch einige Fehlbildungen und letztlich keine Überlebenschance hatte. Ob es ein Junge oder Mädchen wird, wisse man noch nicht, aber die Namen wären schon klar. Martha bei einem Mädchen.
Er erzählte mir auch, dass sie ihre Kraft aus dem Glauben an Gott und die Bibel ziehen und dieser Glaube ihnen in dieser schweren Zeit helfen würde.
Dann kam die Schwester. Wir könnten jetzt mitkommen. Sollten aber bitte vor der Tür warten, da das Kind erst stabil sein sollte, bevor wir dazu kommen.
So saßen wir vor dieser Tür. Einer nervöser als der andere.
Plötzlich ging sie auf. Ich schaute in einen Raum voller Ärzte und Schwestern. In der Mitte dieses durchorganisierten Gewusels lag sie: Martha. Ein Gesicht wie ein Engel. Sie bewegte sich, sie lebte. „Sie ist wunderschön!“, sagte ich.
Der Vater berührte sie sanft, während sie noch weiter medizinisch versorgt und in ein Handtuch eingewickelt wurde. Ich nahm die Kamera und drückte einfach ab. Versuchte nicht im Weg zu stehen und dennoch die ersten Momente nicht zu verpassen.
So eingewickelt durfte der Vater Martha dann in einen Raum mitnehmen und unter einem Wärmestrahler sitzend einfach festhalten.
Die Mutter wurde noch versorgt, sollte aber später noch für gemeinsame Bilder dazu kommen.
Und so waren wir dort. Der Vater mit der hübschen Martha und ich mit meiner Kamera. Ich machte Bilder von ihr. Von ihrem Fuß, ihrer Hand, ihrem Gesicht.
Zwischendurch kam immer mal eine Ärztin herein und schaute nach Martha.
Ich sah irgendwann den Moment gekommen, dass ich den Vater auch mal kurz mit seiner Tochter alleine lassen sollte. So ging ich für etwa 10min. einfach mal vor die Tür. Durchatmen. Ich sammelte Kraft. Immerhin war ich in dem Moment seit fast 3 Stunden im Einsatz.
Dort wartend wurde mir dann mitgeteilt, dass die Mutter gleich dazu kommen würde. Ich ging also wieder zum Vater und sagte ihm Bescheid. Er saß unverändert da mit Martha und streichelte sie, schaute sie einfach an und genoss jede Sekunde. Sie bewegte sich immer weniger…
Nach weiteren Minuten kam wieder die Ärztin, um Martha abzuhören.
Als sie das Stethoskop mehrfach auf Marthas kleiner Brust ansetzte, wusste ich es irgendwie schon. Die Ärztin bestätigte meine Gedanken: Martha war gegangen. Ganz still und leise, geborgen in den Armen ihres Vaters. Leider würde ihre Mutter sie nicht mehr lebend sehen…
Sie starb, während ich neben ihr stand. Irgendwann dann…und das war der Moment, wo sich mein Herz anders anfühlte. Wo ich so ergriffen war, dass ich kurz nichts mehr wahrnahm. Ich stand nur da. Wie festgefroren. Ich hatte gerade tatsächlich miterlebt wie ein Kind gestorben ist.
Ich weiß nicht, wie lange ich verharrte, bis ich wieder agieren konnte und die Ärztin , bevor sie aus dem Raum verschwand, dann noch bat, da ja die Mutter noch dazu kommen wollte, doch die Schläuche bitte abzunehmen und insbesondere den Wärmestrahler auszustellen - da Martha diese Wärme jetzt nicht mehr so gut täte. Das machte sie dann auch.
Ich fotografierte Marthas schönes Gesicht und sah ihr Lächeln. Ihr kleines, zartes Lächeln. Es muss schön sein, gehen zu können, mit dem Gefühl, geborgen und geliebt zu sein…
Ich weiß nicht, wie ich die Begegung mit der Mutter beschreiben soll als sie in den Raum kam…
ab da war ich innerlich zerrissen. Da waren die Gedanken daran, ein Kind gerade beim Sterben begleitet zu haben, Gedanken an eine Mutter, die all die kurzen Momente, in denen Martha lebte, nicht miterleben konnte, die Gedanken daran, meine Aufgabe nicht aus den Augen zu verlieren…
…ich weiß noch, wie sie nach dem Bündel griff und weinte; weiß noch wie sie mich fragte, ob sie Martha anfassen dürfte („Natürlich !“, sagte ich) und ich weiß noch, wie ich dann einfach Bilder machte.
Man merkt, wenn der Moment gekommen ist, der Familie noch ein wenig Zeit für sich allein zu lassen. Ich verabschiedete mich.
4 Stunden später gehe ich wieder zum Parkplatz. Und denke an die gerade geschehenen Momente. An die Gespräche mit dem Vater.
„Bist du auch gläubig ?“, hallt die Frage des Vaters in meinem Kopf, die er mir irgendwann dort gestellt hatte. Da ich zwar nicht an Gott glaube, aber manche Dinge auch für mich unerklärlich sind, antwortete ich: „Ich glaube zumindest an schicksalhafte Fügung.“
„Das ist das Gleiche!“, höre ich seine Antwort.
Mhmm…Ich weiß nicht, denke ich mir still, ich weiß nicht, ob es da wirklich etwas gibt…
An meinem Auto angekommen sehe ich hinter dem Scheibenwischer einen Zettel. Es ist ein Parkticket, was mir jemand völlig Fremdes geschenkt und dorthin geklemmt haben muss. Es ist sogar noch ein paar Minuten gültig.
„Das ist das Gleiche !“, höre ich ihn wieder sagen.
Und in dem Moment denke ich: Vielleicht hat er ja Recht…
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