Ich werde entlassen.
Ich freue mich auf Zuhause. Und habe Angst.
Wieder in die Wohnung zurückzukehren, in der alles so eskaliert ist.
Angst vor der Wucht der Gefühle, die da auf mich wartet.
Wie soll ich da überhaupt hochkommen? Wir wohnen im dritten Stock ohne Aufzug. Ich komme nur in winzig kleinen Schritten vorwärts. Ich habe keine Idee, wie ich überhaupt Treppen laufen soll.
Die Wunde ist unverändert extrem schmerzhaft.
Am Wochenende sind die Entlassungen um 9 Uhr, spätestens um 10 Uhr, sagte man mir.
Ich habe mich sicherheitshalber mit der Bestatterin auf 11 Uhr verabredet.
Wirklich rund lief in dieser Woche hier im Krankenhaus nämlich nichts.
Ich schreibe ein langes Feedback über meinen Aufenthalt.
Lene wird mir gebracht.
Weiterlesen....Jörn und ich besprechen die Einzelheiten der Beerdigung über Whatsapp.
Ich möchte, dass Simone sie macht. Sie hat als freie Rednerin schon unsere Hochzeit und Blümchens Babybegrüßung gestaltet.
Ich hatte mir vorgestellt, wie wir mit ihr auch eine Babybegrüßung für Lene machen.
Jetzt eine Babyverabschiedung.
Wie bitter. Wie unendlich bitter.
Er ist einverstanden.
Er stellt sich vor, dass wir eine kleine Zeremonie machen. Nur am Grab, Simone redet und wir spielen Musik.
Das deckt sich genau mit meiner Vorstellung.
Geht man danach nicht üblicherweise Essen?
Das wollen wir beide nicht.
Vielleicht Frühstück bei uns zuhause?
Wer soll überhaupt dabei sein?
Weiterlesen....Ich bin müde und erschöpft.
Der gestrige Tag hat mich aufgewühlt. Ich konnte nicht schlafen.
Als ich gegen zwei Uhr immer noch wach war, fragte ich die Krankenschwester nach einem Schlafmittel.
Sie gibt mir keines. Dann schlafe ich ja am nächsten Tag bis um 12 Uhr!
Ja und? Ist ja nicht so als ob ich zur Arbeit müsste.
Ich weine. Ich kann nicht mehr.
Die Situation ist so belastend. Ohne Schlaf wird alles noch viel schlimmer.
Ich bin zusätzlich gestresst, weil ich nicht schlafen kann. Ich brauche doch Schlaf. Ich brauche Kraft. So kann ich natürlich erstrecht nicht einschlafen.
Eine Schlaftablette bekomme ich trotzdem nicht.
Weiterlesen....Morgens schreibt Lisa. Sie will mir Lene nochmal bringen und sicher sein, dass das achtsam geschieht. Auch ihr ist aufgefallen, dass ich in diesem Krankenhaus nicht gut aufgehoben bin.
Ich habe ein schlechtes Gewissen. Sie hat selbst kleine Kinder und wir kennen uns doch eigentlich gar nicht! Aber trotzdem fühle ich mich so verbunden und bin unendlich dankbar, dass sie da ist. Was sie alles tut!
Ich nehme ihr Angebot an.
Sie schreibt, dass sie Lene pucken will. Damit ich sie halten kann!
Oh Gott! Jaa! Ich werde mein Kind endlich halten dürfen! Wie groß ist meine Sehnsucht, sie endlich in den Arm zu nehmen! Vier Tage nach ihrer Geburt.
Weiterlesen....Visite.
Der Arzt, der mich operiert hat, kommt das erste und einzige Mal.
Er drückt mir sein Beileid aus. Das finde ich nett. Er ist der erste, der das sagt.
Er sagt, dass auch eine Spontangeburt möglich gewesen wäre. Was soll ich dazu sagen? Ich wurde ja nicht gefragt.
Sagt mir, dass es keine offensichtliche Todesursache gibt. Ob wir eine Obduktion wollen?
Nein. Zum zehnten Mal. Nein.
Weitere Tests? Nein.
Unvorstellbar für die Ärzteschaft in diesem Krankenhaus. Als ob ich wollte, dass mein Kind stirbt, werde ich behandelt. Wenn ich kein Interesse an der Ursachenklärung habe.
Weiterlesen....
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