Freya und Freyr – beschlossen nicht allein zu gehen.
Der Call von Stephie am 02.11.2020 Klinik: Dresden Uniklinik
Ihr Lieben,
ich habe mit der Mama der Zwillinge gesprochen. Sie ist heute, nach einem vorzeitigen Blasensprung, in die Klinik gekommen und hat bereits leichte Wehen. Die Ärzte geben den beiden Mäusen leider keine Chance. In der SSW 20 ist es einfach noch viel zu früh. Wann die beiden Kinder auf die Welt kommen, ob heute Nacht oder erst Morgen, kann niemand sagen.
Die Eltern wünschen sich auf jeden Fall noch letzte Bilder ihres Sohnes und ihrer kleinen Tochter.
Da alles sehr plötzlich kam und heute auch keine Visite mehr war, hat die Mama keine Kleidung dabei und weiß auch noch nicht, ob in der Klinik etwas vorhanden ist. Also ggf. bitte etwas einpacken, falls ihr was habt.
Die Mama wurde in der Klinik auf DSK hingewiesen und durch den anderen Dresden-Call wissen wir, dass der Zugang zur Klinik gewährt wird. Wer von euch Lieben kann hier übernehmen oder Zeiten abdecken?
Ich danke euch!
Wahnsinn, was ist diese Woche nur los. Schon wieder ein Call für Dresden. Dieses Mal Zwillinge. Ich melde mich erstmal als Ansprechpartner und Back up, da ich diese Woche noch meinen Einsatz bei Laira habe. Zum Glück sind Michael und Stefan noch mit im Boot, sodass wir die Zeiten auf jeden Fall abdecken können.
Freitag 06.11. – noch immer hat sich bei den Zwillingen nichts getan. Irgendwie habe ich es im Gespür das der Einsatz auf den Samstag fällt. Ich bin nicht in Dresden, unsere Oma feiert Ihren 91.Geburtstag. Kurzer Check bei Michael. Er kann leider auch am Samstag nicht. Also nochmal alarmieren zur Sicherheit. Stefan hat zum Glück am Samstag Zeit.
Samstag 07.11.: Es ist Stefans Einsatz bei den Zwillingen.
Wenig später kommt eine Nachricht von Stefan. Freyas Bruder geht es gut, bei ihm ist die Fruchtblase noch intakt. Es ist der Wahnsinn. Wir drücken so die Daumen, dass der kleine Mann es schafft.
Dienstag 17.11.
Es ist Mittag und ich bin gerade einkaufen, als mein Handy klingelt. Es ist Katharina, die Mama der Zwillinge. Im ersten Moment denke ich, sie möchte sich nochmal bedanken bei mir obwohl ja Stefan fotografiert hat. Doch dann höre ich die gebrochene Stimme. Mein Herz steht für einen Moment still als sie sagt, dass es der kleine Freyr auch nicht geschafft hat. Das kann doch nicht wahr sein. Gar keine Frage, dass ich mich auf den Weg mache. Also schnell an die Kasse, Kamera zu Hause holen und los. Auf dem Weg rufe ich fix Desiree an, damit sie den Call aufnehmen kann. Unter uns macht sich Fassungslosigkeit breit. Schnell noch eine Whats App an meine Tochter mit der Bitte die Einkäufe auszuräumen, wenn Sie aus der Schule kommt. Ein Sternchen wartet auf Mama.
In der Klinik angekommen wird mir von der Schwester das Hebammen Zimmer zur Verfügung gestellt. Der Papa würde gleich mit dem Kleinen kommen. Katharina geht es wohl sehr schlecht. Wir werden wohl kein gemeinsames Bild machen können.
Den kurzen Moment allein im Zimmer nutze ich um die Kamera startklar zu machen. Dann geht die Tür auf und Papa David kommt mit dem kleinen Mann. Er liegt in einem Körbchen und hat den Daumen im Mund. Ein kleiner Daumenlutscher.
David scheint mir ziemlich von der Rolle. Ihm geht es gar nicht gut, das sehe ich in seinen Augen. Ich glaube er braucht frische Lust. Ich schlage ihm vor, dass er sich die Zeit für einen Moment an der Luft nimmt, durchatmet und etwas trinkt. In der Zwischenzeit fotografiere ich Freyr alleine. Ich nehme ihn aus seinem Körbchen und lege ihn auf das kleine Deckchen. Meine Schwiegermutter hat mir die Decke gestrickt für Sterncheneinsätze. Ich fotografiere seine Füßchen und Händchen, sein Gesicht. Was für ein hübsches Kerlchen. Ob seine Schwester wohl auch so aussah? Was muss das für ein schmerzhafter Verlust sein beide Kinder zu verlieren. Ach kleiner Freyr, ich hoffe bist gut bei deiner Schwester angekommen. Habt ihr beschlossen nicht allein zu gehen?
David kommt zurück. Er sieht jetzt schon etwas besser aus. Gemeinsam setzen wir uns zu Freyr. Wir schauen ihn an und ich lege Freyrs Hand in Davids Hand. Es ist immer wieder schön zu sehen, wie liebevoll und mit welchem Stolz aber auch Schmerz Eltern ihre Kinder betrachten. Als saugen sie jedes noch so kleine Detail in sich auf.
Ich frage David ob er noch einen Fotowunsch hat. Es gibt nur ein Bild mit Katharina. Das werde ich a
ber wohl nicht erfüllen können
Plötzlich geht die Tür auf und wir beide können es kaum fassen. Katharina wird im Rollstuhl ins Zimmer gebracht. Sie sieht sehr schlecht aus, aber gibt sich so unglaublich tapfer. Ich glaube Sie hat Davids Wunsch gespürt und alle ihre Kräfte gesammelt. Mir ist klar, dass wir jetzt nicht lange rum daddeln können. Die beiden zusammen mit Freyr sind so eine starke Einheit. Katharina fiebert. Ihr stehen die Perlen auf der Stirn. Es ist Zeit für mich zu gehen. Die beiden brauchen dringend Ruhe.
Ich verabschiede mich von Katharina und David. Vielleicht schickt mir Stefan ein Bild von Freya, dann könnte ich versuchen ein Zwillingsbild zu erschaffen. Das wäre bestimmt eine tolle Überraschung für die Beiden. Mit diesem Gedanken fahre ich nach Hause. Für heute muss ich es erstmal sacken lassen.
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