Ich lese gerne die Einsatzberichte. Sie haben mich zu DSK geführt und sie haben mich vorbereitet. Sie haben mir gezeigt, was auf mich zukommen kann, wie emotional die Angelegenheit ist, aber, und vor allem, wie wunderbar wertvoll die Arbeit ist! Das habe ich euch allen zu verdanken, die sich die Mühe machen, ihre Gedanken aufzuschreiben und mich sowie andere so daran teilhaben lassen. Vielen Dank dafür!!! Um für noch mehr Berichte zu sorgen, werde ich mich nun also auch daran versuchen und euch erzählen, wie der erste Einsatz für mich war.
Wochenende. Das Handy meldete eine Nachricht. Ein Einsatz nahte. 15. SSW, Einleitung für Montag geplant. Die Eltern haben in der 14. SSW erfahren, dass ihr Kind nicht mehr lebt. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir noch nicht genau wissen, wann das Sternchen da sein würde. Also haben wir Kieler (das ist eine tolle Truppe, sag ich euch!) uns abgesprochen und ab Montag, sowie für die darauffolgenden Tage geklärt, wer wann in etwa kann.
Montag. Die Eltern waren seit 9:30 Uhr in der Klinik. Sie mussten drei Stunden warten, bevor man sich um sie und die Einleitung kümmerte, wie ich später erfahren sollte. Noch einmal haben wir DSKler untereinander besprochen, nun ein wenig konkreter, wer wann kann. Alle möglichen Zeiten waren jetzt abgedeckt. Wir waren bereit für das Sternchen. 18:46 Uhr, die Wehen setzen ein. Doch es hieß weiterhin warten…. Ich bin später ins Bett gegangen, bis dahin gab es noch nichts Neues.
3:59 Uhr. Das Baby ist geboren. Entgegen der Erwartung der Eltern, es sollte ein Mädchen werden, war es ein Junge geworden. Ich habe zugesagt, dass ich, sobald der erste Bus bei mir fährt, da sein kann. Nun stand es fest. Mein erster Einsatz kam auf mich zu. Mein Rucksack war bereits gepackt. Das Paket, welches ich von den lieben Näherinnen bekommen sollte, hat den Weg bis heute leider nicht zu mir gefunden, sodass ich kein Tuch, o. ä. mitnehmen konnte (Nachtrag: die Post hat Murks gebaut, es kam nach einigen Wochen doch noch an). Dann ging ich zum Bus. Es war kalt draußen. Es war glatt draußen. Es schneite. Alles war ruhig. Die Flocken fielen vom Himmel, als wenn Engel weinen, so leicht waren sie. Diesen ersten Weg zur Klinik vergesse ich nie.
Ankunft an der Klinik. In der Stadt tauschte der sanfte Schnee seine Gestalt mit Regen. Wie Bindfäden hing er nun herunter. Wer gerne seine Gedanken schweifen lässt wie ich und in augenscheinlich völlig normale Situationen gerne mal etwas hinein interpretiert, der hätte in dem Moment sicherlich gedacht, dass Engel nun nicht mehr weinten, sondern völlig außer sich waren. Ich sollte gleich erfahren, warum dieses Sternchen so ein trauriger Fall war, finde ich jedenfalls. Ich ging durch die Tür in die Klinik, hoch zum Kreißsaal und wartete, dass mir geöffnet wird. Die Mutter war gerade nicht im Zimmer und so wartete ich noch einen Moment. In Begleitung einer Schwester kam sie dann auf mich zu und nahm mich mit in den Kreißsaal.
Es begrüßen mich Mutter und Vater des Kleinen. Sie sind gefasst. Sie sind tapfer. Sie sind herzensgut. Und auf dem Bett liegt ihr kleines Wunder, das keines werden durfte. Eingebettet in ein Baumwolltüchlein liegt dort ihr Sohn. Da es keine Juna ist, und sie sich so sicher waren, es würde ein Mädchen werden, hatten sie bis kurz vor meiner Ankunft keinen Namen. Juna heißt „die Ersehnte/Erwünschte“, was unglaublich passend ist, da die beiden von Herzen ein eigenes Kind wünschen. Sie haben sich dann für Junis entschieden. 8 cm und 10 g, so ein kleines Sternchen. Die beiden sind so unglaublich gefasst. Und jetzt erfahre ich auch, warum. Und ich erfahre, warum es draußen so sehr regnet. Es war ihr drittes Sternchen! Sie wünschen sich so sehnlich eine kleine Familie, doch bisher sollte es einfach nicht klappen. Es ist so traurig. Wie die beiden das erzählen, ihr kennt das von anderen Berichten. Ich erkläre, was ich gleich machen und wie ich fotografieren werde. Ich atme tief durch, wische mir eine Träne aus dem Auge, gehe zu meinem Rucksack und nehme die Kamera in die Hand. Und dann geht es los. Ich bin in meinem Element und konzentriere mich auf meine Fotografie, die ich so liebe. Anfangs stehen die beiden am Bett und schauen aus der Ferne zu, fragen ein paar Dinge. Die Mutter kommt dichter, sie ist neugierig und möchte sich Junis jetzt genauer ansehen. Sie ist überrascht. Er ist quasi fertig. Wir können die Finger sehen und die Zehen, die Nase, die Augen – er hätte doch nur mehr Zeit gebraucht. Die Eltern haben eine Socke dabei, eine winzige, doch neben Junis ist sie riesig. Die Socke haben sie vom Krankenhaus bekommen. Die Mama hat ein kleines Einschlagtuch gehäkelt, was perfekt zu ihm passt. Als ich mit den Fotos von ihm allein fertig bin, frage ich, ob sie ihn halten möchte. Ja! Sie nimmt ihn jetzt vorsichtig in die Hand, diesen kleinen, wunderschönen Jungen. Der Vater kommt auch dazu. Sie halten ihn gemeinsam. Sie möchten jetzt auch ein Bild mit seinem kleinen Händchen auf ihren Fingern. Und sie möchte gern noch dies und das…… Sie hat sich mit ihm beschäftig. Beide haben das. Das ist wunderbar anzusehen! Als ich fertig bin, spreche ich noch ein wenig mit beiden. Sie sind dankbar, so dankbar, dass sie Fotos haben werden. Ich wünsche ihnen viel Kraft für die nächste Zeit und verabschiede mich. Jetzt haben sie noch Zeit, um sich alleine zu verabschieden. Die Bilder darf ich persönlich übergeben, wir sehen uns in ein paar Tagen wieder.
Ich war eine knappe Stunde insgesamt dort. Im Regen bin ich dann weiter zu meiner Arbeit gegangen. Es ging mir viel durch den Kopf. Ich wünsche den beiden von Herzen, dass sie ihren Lebenstraum erfüllen können. Das haben sie verdient.
Als ich abends zuhause war und die Bilder bearbeitet habe, kam noch einmal ein Schwung an Gefühlen hoch, die ich gar nicht genau zuordnen konnte. Aber sie haben mich begleitet. So habe ich die Bilder fertig gemacht.
Und das war mein erster Einsatz. Ich kann nicht direkt sagen, dass ich mich auf den nächsten „freue“, aber ich freue mich darauf, den nächsten Eltern Erinnerungen zu schenken, die sie so dringend und gut werden gebrauchen können.
Einen großen Dank an dieser Stelle an das wunderbare Krankenhauspersonal! Ihr geht so toll mit den Sternchen-Eltern um, es ist schön, dass es euch gibt. Danke!
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