Der Alarm kam gleich morgens um 7 Uhr..
Ein Drillingsfrühgeborenes in der 33 Schwangerschaftswoche wird wahrscheinlich im Laufe des Vormittags versterben. Das Mädchen ist heute 8 Tage alt. Amanda Viktoria.
Welch’ schöner Name.. so schwere Stunden für die Eltern..
Ich rief in der Klink an.. Dort sagte man mir, dass Amanda vor 5 min. eingeschlafen ist.. Ich sprach mich im Forum mit meinen Kollegen ab, ich hatte in der Früh noch einen Termin. Ich konnte ab Mittags übernehmen, meine Kollegin Silke hätte auch ab Mittags gekonnt. Da ich mit meinem Termin schneller fertig war als gedacht, meldete ich mich im Forum, dass ich übernehme und direkt losfahre. Gedanken an meinen vorherigen Drillingseinsatz gingen mir auf der Fahrt ins Krankenhaus durch den Kopf.. Auch hier hatte es einer der Drei nicht geschafft.. nun schon wieder...
Die liebe Schwester der NEO Intensivstation empfing mich und wir betraten gemeinsam das Zimmer.. da lag sie nun in dem kleinen Bettchen.. sah aus, als würde sie schlafen.. Die Eltern seien im Elternzimmer sagte man mir.. der große Bruder ist auch hier.. er hat die kleine Amanda noch nicht gesehen.. er traute sich nicht.. Nur zu gut konnte ich das verstehen.. Carl ist 8 Jahre alt.. versteht das Wort „Tod“ natürlich.. aber für ein Kind so schwer greifbar.. beide Eltern am Boden zerstört.. Alleine, wenn Eltern viel weinen.. Kinder verstehen es oft nicht, da sie uns Eltern ja in der Regel nicht so erleben..
Den lieben Eltern wurde Bescheid gesagt, dass ich da bin.. und so kamen sie kurze Zeit später ins Zimmer.. mit dem großen Bruder.. der ganz zögerlich zum Bettchen ging.. Er schaut Amanda an.. ich hatte das Gefühl, er wusste nicht wohin mit seinen Gefühlen.. wie auch.. er war von Unsicherheit gezeichnet.. Die Eltern wichen ihm nicht von der Seite.. der Mama liefen Tränchen.. sie streichelte Amanda zart.. hob sie aus dem Bettchen und setzte sich mit ihr auf den Stuhl.. Auch dem Papa liefen die Tränen und er streichelte Carl.. Ich fragte Carl, ob er auch mit auf ein Foto mit seiner Schwester möchte.. Er schüttelte ganz leicht den Kopf.. kaum erkennbar.. Worte konnte er nicht sagen.. Der Papa fragte ihn, ob er zurück ins Wartezimmer möchte.. er nickte.. Carl schaute Amanda an.. streckte seine Hand in ihre Richtung und berührte sie mit einem Finger.. Ich war so gerührt von dieser Situation.. damit habe ich überhaupt nicht gerechnet.. Das er den Mut aufbringen konnte, die Kleine zu berühren.. Ich musste auch eine kleine Tränen wegdrücken und dann nahm ich meine Kamera in die Hand.. Leider zu spät um diese Situation einzufangen.. Carl ging aus dem Zimmer.. Ich war sehr traurig, dass ich nicht schon vorher „bereit“ stand.. aber manchmal brauchen auch wir Fotografen einen Moment, um zu verstehen.. um uns zu sammeln.. Ich fand es aber so mutig von Carl.. er wird sich sicher für immer an diesen Moment erinnern.. Wir fingen an, Familienbilder zu machen.. der Papa fand kaum die Kraft dazu.. Beide Eltern konnten nicht glauben, was da passiert war.. viel zu plötzlich und schnell ging alles..
Was war überhaupt passiert? Die Mama berichtet mir: Warum alles so kam kann uns bis heute niemand sagen.
Wir haben eine traumhafte Vorzeigeschwangerschaft gelebt: keine Beschwerden, kein Liegen, kein Schongang. Ganz im Gegenteil, ich habe mein Leben normal weitergelebt und sogar mein nicht gerade sanftes FitnessTraining bis zum letzten Tag absolviert. Woche für Woche haben wir gehofft es bis über die 30 zu schaffen, dann war 32 das Ziel und mit 33+0 waren wir unsagbar glücklich weil die Drei nicht mal mehr Extremfrühchen waren. In der 34.SSW bei 33+3 hatte Elisabeth scheinbar keine Lust mehr und nach einem Blasensprung am späten Abend wurden unsere drei Musketiere am 26.6. um 1:46 Elisabeth , 1:47 Amanda und um 1:48 Richard geboren. Sie waren allesamt gesund und munter, hatten mit 1700-1800 g ein tolles Gewicht und beste Voraussetzungen. Die Ärzte waren zufrieden und sehr stolz auf uns weil die vollendete 33.SSW doch schon viel für Drillinge ist.
Niemand ahnte, dass das Schicksal einen so traurigen Plan hatte und das Blatt wenden würde. Speziell nachdem wir so weit gekommen waren!
Was genau passiert ist....wenn wir das nur wüssten. Ich wurde am Montag aus der Behandlung entlassen, unsere drei Musketiere waren allesamt keine Intensivfälle mehr und ich hätte mit gutem Gewissen gehen können. Aber irgend etwas war komisch, da war so ein Gefühl.... Direkt Dienstagmorgen erhielten wir den Anruf, dass Amanda operiert werden müsste, dringend. Wir sind natürlich sofort losgefahren und haben uns alles genau erklären lassen. Es hieß, sie habe einen festen Bauch und würde grau werden, der genaue Grund läge wohl im Verdauungstrakt und kann nur beim Hineinschauen in den Bauch lokalisiert werden. Wir haben ihr gerade noch rechtzeitig auf dem Weg in den OP viel Kraft wünschen können, lag sie doch schon vorbereitet im Transportinkubator.
Jan musste dann los, Carl von der Schule abholen und das Wichtigste im Büro erledigen während ich blieb. Am frühen Nachmittag die Nachricht, dass Amanda die OP gut überstanden hat, sie stabil ist und „nur“ ein Teil des Dickdarms entfernt werden musste. Sie wird also höchstwahrscheinlich keinerlei Beeinträchtigung in ihrem späteren Leben haben werden und es wäre auch noch soviel Darm vorhanden um den künstlichen Ausgang wieder zurück verlegen zu können. Welch gute Nachricht in diesen angstvollen Stunden. Jan und Carl holten mich an späten Nachmittag ab und wir gingen mit guter Hoffnung, dass unser kleines Mädchen ihrem Namen alle Ehre macht und kämpft.
Als wir am späten Abend anriefen um uns nach ihr zu erkundigen, entschuldigte sich der Arzt dass er sich bisher nicht melden konnte, aber er hätte die letzten 2 Stunden um ihren Kreislauf gekämpft. Er hätte sie wohl aber abgefangen und man müsste nun schauen. Die nächsten Stunden bangten und zitterten wir, an Schlaf nicht zu denken. Gegen 4 Uhr dann der alles verändernde Anruf....wir sollten uns auf den Weg machen.....Wir wussten was das hieß... In der Klinik angekommen, erzählte uns der Arzt, dass Amandas Organe nach und nach versagten und man nicht sagen könne, wie lange ihr nun noch bliebe....es könnten Stunden sein aber auch nur noch Minuten. Wir waren bei ihr, hielten ihre Hand und streichelten sie bis ihr Herz um kurz vor 7 Uhr aufhörte zu schlagen.
... und um kurz nach 7 Uhr rief ich in der Klinik an... nichts ahnend, was die liebe Familie gerade durchgemacht hat..
Die Mama wünschte sich noch Bilder von ihr und Amanda.. ich erfüllte ihr diesen Wunsch..
... was mich besonders berührt hat, war die Situation mit Amandas großen Bruder Carl und auch folgende.. Als Amanda in ihrem Bettchen lag, machten wir u. a. auch Bilder von ihren kleinen Füßen und ihren Händen.. Ich legte Amandas Hand auf die Hand der Mama.. die Hand vom Papa dazu.. als wir fertig waren, nahm der Papa sein Hand weg.. Amandas Mama aber konnte die Hand nicht lösen.. sie beugte sich über ihre Tochter.. streichelte sie sanft.. bewegte sich kaum.. nur ihre Finger streichelten leicht und sanft den Kopf.. immer wieder tropften Tränen herunter.. diese Stille.. diesen Schmerz.. noch immer kann ich ihn in mir fühlen.. Eine kleine Ewigkeit hat es gedauert.. ich gab der Mama alle Zeit, die sie brauchte.. alle Zeit der Welt würde zu wenig sein.. das wusste ich.. und während ich das hier schreibe, kullert mir erneut eine Träne runter.. noch immer fühle ich diese Situation so doll..
Später verabschiedete ich mich.. sagte den Eltern, dass sie sich soviel Zeit nehmen sollen, wie sie brauchen.. Im Wissen, dass die Station es möglich macht.. Dieser liebevolle Umgang mit den Sternenkindern im UKSH Kiel berührt mich jedesmal aufs Neue.. Danke ihr Lieben.. ich glaube, ihr wisst gar nicht, was es den Eltern bedeutet.. auch wenn sie es in diesem Moment gar nicht realisieren können.. Heute ist dieser Einsatz über 8 Wochen her.. seitdem bin ich mit der Mama im Kontakt..
Nachdem die Eltern meinen Umschlag mit den Bildern, mit dem Buch für Carl und einem Brief von mir erhalten haben, schrieb die Mama:
Zu allererst möchte ich dir noch einmal für dein Dasein danken! DU hast uns Erinnerungen geschenkt, die uns niemand mehr nehmen kann und warst dabei so rührend und liebevoll. Wir wissen, dass solch traurige Schicksale auch an dir nicht vorüber gehen und es ist phantastisch, dass es Menschen wie dich gibt ❤ Der Umschlag ist gestern angekommen und wir haben ihn auch schon geöffnet....alles so liebe- und würdevoll, dass mir schon wieder die Tränen kommen. Derzeit schaffen wir es noch nicht uns Amandas Bilder anzusehen, aber es ist gut zu wissen, dass wir dies jederzeit tun können – dank dir!
Das Bild, das du mir geschickt hast ist wundervoll! Ich weiß gar nicht, wie ich dafür danken kann. Worte reichen kaum aus um zu beschreiben, wie sehr wir die Mühe und Arbeit, das Engagement und der Wunsch uns Gutes zu tun von uns geschätzt werden.
Tausend Dank für alles ❤
Darum tun wir das.. es ist so wichtig, dieses Bilder zu haben ihr Lieben.. und auch, wenn sie noch lange im Umschlag liegen.. Es ist so wichtig, diese Erinnerungen einzufangen.. für sofort.. für in ein paar Tagen.. für in ein paar Wochen.. oder gar Jahren.. wenn der Wunsch kommt, sie anzusehen.. dann sind sie greifbar nah..
Liebe Tanja,
heute habe ich mir das erste Foto unserer Amanda angesehen – sie ist so wunderschön gewesen und ich bin dir aus tiefstem Herzen dankbar, dass du uns diese Erinnerung an sie geschenkt hast!
... so viel Kraft wird es gekostet haben.. Ihr lieben.. ich denke noch oft an euch.. und als ich vor ein paar Tagen auf Station war, hab ich gefragt, ob ihr da seid.. leider nicht.. wir hatten uns gerade verpasst.. gerne hätte ich euch nochmal gedrückt.. und euch gesagt, wie sehr ich euch wünsche, dass ihr eure Zwei ganz bald mit nach Hause nehmen dürft..
Vor 4 Wochen schrieb sie mir:
Es ist so unfassbar, ungreifbar, unveränderlich. Genau heute ist es einen Monat her, dass
sie uns verließ. Der Schmerz, die Trauer und die Ungerechtigkeit des Schicksals holt uns immer wieder ein – ganz unverhofft, wann immer das Leben es will.
Gestern las ich einen Spruch:
Es geht nicht ums Leben, sondern ums Überleben. Genau das ist es gerade!
.. ja.. so sehr kann ich das nachempfinden.. besonders schwer fällt den Eltern der tägliche Besuch von Richard und Elisabeth.. auf der einen Seite die Freude auf die Kindern.. die Angst, die sie begleitet.. das Klingeln auf Station.. die Gewissheit, dass nur noch zwei ihrer Babys auf sie warten.. jedes Klingeln an der Tür kostet Kraft uns Überwindung und immer ist die Erinnerung dabei....
In den letzten Tagen durften die lieben Eltern endlich Amandas Geschwister nach Hause holen.. Ich freue mich so sehr mit ihnen.. Mittlerweile weiß man auch, warum sie gestorben ist.. es gibt die Gewissheit, dass keiner etwas tun konnte.. Die Ärzte haben alles getan, was möglich war.. Amanda hatte bei der Reise ins Sternenland keine Schmerzen.. der Gedanke ist ein wenig tröstlich..
Ich danke euch, dass ich eure wunderhübsche Tochter Amanda kennenlernen durfte..
Amanda bedeutet, die, die geliebt werden muss.. und ich glaube, sie wird auch immer einen Platz im Herzen ihrer Geschwister haben, auch wenn sie sich nicht an sie erinnern können.. Ich glaube, besonders Elisabeth wird eine ganz besondere Verbindung zu ihrer Schwester haben.. und ich bin mir sicher, dass die Bilder von ihr beiden Geschwistern eine greifbare Erinnerung geben werden.
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