...so viele Sternchen zur Zeit :(
Die Mama hat sich gewünscht, dass ich euch berichte.. sie hat durch Facebook von dieser Möglichkeit erfahren.. und möchte dies auch anderen
betroffenen Eltern durch diesen Bericht ermöglichen, dass sie von DEIN
Sternenkind erfahren..
... ich sah eine Nachricht von Dein Sternenkind und las die Frage, ob ich
Kontakt zu der Kieler Klinik hätte.. eine Mama hat den Kontakt zu Dein-Sternenkind gesucht.. bis zu dem Zeitpunkt hatte ich noch keine Alamierung..
dann – fast im selben Moment, klingelte mein Telefon..
16:14 Uhr.
Der kleine Junge ist in der 38+4 SSW auf die Welt gekommen und die
lebenserhalten Maßnahmen werden nun eingestellt... Man weiß nicht genau,
wann er einschlafen wird..
Während ich das hier schreibe, merke ich gerade wie tief ich eingeatmet
habe.. Ich erinnere mich noch genau an dieses Telefonat, welches nun schon
2 Wochen her ist.. Es ist so ein Unterschied zwischen: „Wir haben ein
Sternenkind hier – kann bitte jemand kommen“ oder „Wir haben ein Kind hier,
welches sehr bald versterben wird, wir rufen an, wenn du losfahren kannst“.
Bei dem ersten Anruf packe ich meine Tasche und fahre los. Zeit zum
Nachdenken habe ich im Auto. 10 Minuten lang. Ich funktioniere. Fahre los.
Bin da und in der Situation drin.
Bei dem „anderen“ Anruf gehen mir 1000 Gedanken durch den Kopf.. Das ist
immer eine sehr emotionale Zeit für mich, auf Abruf zu stehen. Zu wissen,
das eine Familie gerade die schlimmsten Stunden ihres Lebens erleben
muss.. und nicht zu wissen, wann das Telefon klingelt, losfahren zu können....
ich packe meine Tasche.. ich erinnere mich, dass ich mir noch einen Kaffee
gemacht habe.. Eigentlich wollte ich gerade mit der Bildbearbeitung eines
anderen Shootings beginnen. Keine Chance.. Da hatte ich gar keine Ruhe
zu. Es kann schnell gehen. Es kann aber auch bis in die Nacht dauern...
warten.. die Gedanken rauschen vorbei...
Knapp 2 Stunden später kam der Anruf. Ich kann mich auf den Weg machen.
Immer wieder ein komisches Gefühl.. eine Mischung aus Trauer... die Eltern
verabschieden sich gerade von ihrem Sohn, ich muss versuchen, mich
diesen Gefühlen nicht zu sehr hinzugeben.. muss stark sein für meine
Aufgabe gleich... aus einer Art Aufregung.. ich weiß gar nicht, was „los“ war...
wussten die Eltern, dass ihr Kind versterben wird? War es absehbar? Wer
erwartet mich da in dem Raum, wo das kleine Baby gerade eingeschlafen
ist? .. so viele Gefühle....
Auf der kardiologischen Intensivstation angekommen musste ich eine Weile
warten, bis jemand Zeit für mich hatte. Quälende Minuten.. Andere Eltern
kommen ... andere gingen an mir vorbei, die ihre Kinder besucht haben.. Ich
zog mir einen Schutzkittel an.. ein komisches Gefühl.. Ich war schon einige Male auf dieser Station bei Kindern, die es leider nicht geschafft haben.. Auch
deren Eltern sind hier tagein tagaus hergekommen um ihre Kinder zu
besuchen. Und an diese Eltern musste ich in dem Moment sehr doll denken.
Dann holte mich die liebe Schwester ab und brachte mich zu den Eltern. Ich
öffnete die Tür und sah den kleinen Silas in dem Bettchen liegen. Nur einen
kurzen Blick warf ich ihm zu. Ich begrüßte erst die Eltern und dann ging ich
zu dem Kleinen ans Bett.. Ich sah ihn an.. und musste das alles erst mal
realisieren: Vor mir lag ein scheinbar schlafendes Kind.. so friedlich.. so süß..
Ich dachte: Mach die Augen auf kleiner Mann.. ich sah ihn an.. ich weiß nicht
wie lang.. er konnte seine Augen nicht öffnen.. er war kurz vor meiner Ankunft
auf dem Arm der Mama eingeschlafen.. dann irgendwann streichelte ich ihm
über seine Haare und sagte: „ Was machst du denn für Sachen...“ und ich
glaube auch irgendwas wie“ oh mein Gott, bist du süß“ sagte ich..
Ich fragte die Eltern was passiert sei.
Bis zur Geburt war alles gut .. Der Kaiserschnitt war notwendig, weil Silas
sich durch das viele Fruchtwasser ständig gedreht hat. Bei der Geburt lag er
dann in Querlage darum wurde er per Kaiserschnitt geholt. Nach der Geburt
war schnell klar, dass irgendwas nicht stimmt. Silas lief blau an – man
vermutete zuerst Anpassungsschwierigkeiten.. Eine Kinderärztin kam dazu
und erst hieß es alles sei gut. Vorsichtshalber holte sie ihren Chef und die
Chefärztin dazu – die nahmen Silas gleich mit auf die Kinderstation.. der
Papa darf gucken kommen.. sagte man... als der Papa dort ankam, durfte er
nicht zu ihm. Plötzlich kamen ganz viele Ärzte angerannt ... Silas musste
wiederbelebt werden.. man vermutete, es sei das Herz... eine
Röntgenaufnahme brachte keine Klarheit – alles schien ok zu sein. Ab nach
Kiel hieß es, aber der angeforderte Rettungshubschrauber konnte aufgrund
des Wetters nicht fliegen.. also kam Silas mit dem RTW nach Kiel . Nach
etlichen Stunden des quälenden Wartens durfte der Papa das erste Mal zu
ihm.. er wurde beatmet und bekam Morphium.. die Mama lag noch 50 km
weiter weg im KH und der Papa kümmerte sich um die Verlegung, dass sie
auch bei Silas sein durfte.. Als sie auf dem Weg nach Kiel war kam der Anruf,
dass sie sich verabschieden müssen. Silas schafft es nicht. ..noch Stunden
vorher freuen die Eltern sich auf ihren Sohn.. endlich ist er da.. und dann
das.. so surreal .. es übersteigt die Vorstellungskraft...
Die Eltern schafften es nach Kiel und konnten sich verabschieden.. Silas ist
friedlich einen Tag nach seiner Geburt im Beisein seiner lieben Eltern
eingeschlafen..
Er hatte keine Verbindung vom Herz zur Lunge. Man hatte das während der
Schwangerschaft nicht erkannt. Keine Chance für den kleinen Mann...
Stille.
Mehr ist nicht da.
Und da stand ich nun.. mit der Familie und dem so schlafend wirkenden
wunderhübschen Silas.. mir war so schwer ums Herz.. Irgendwann fing ich an
zu erzählen.. wer ich bin.. das ich da bin um ihnen Fotos zu schenken.. Die
Mama erzählte mir, dass sie über facebook von Dein Sternenkind erfahren
hat. Darum hatte sie selbst gleich eine Nachricht geschickt... und aus dem
Grund mache ich so viel Öffentlichkeitsarbeit für diese Möglichkeit... und es
freut uns – wenn man in dieser Situation von Freude sprechen kann – dass
wir schon so viel durchgebrochen sind.. dass auch betroffenen Eltern wissen,
dass sie uns anfordern können.. Noch so viele Sternchen treten ihre große
Reise in den Himmel an und die Eltern haben im besten Fall ein Handyfoto...
wenn überhaupt.. wie viel diese Fotos erst „wert“ sind.. das wissen viele oft
erst Jahre später.. Relativ schnell sagte die liebe Mama, sie möchte uns
unterstützen.. ich darf auch von Silas berichten.. sie möchte helfen, uns
bekannter zu machen.. aus dem Grund erzähle ich euch heute seine
Geschichte..
Silas wurde von der lieben Schwester auf den Arm der Mama gelegt.. so ein
inniger Moment.. Ich fing an zu fotografieren.. die Hände.. alleine.. mit den
Händen der Eltern.. Die Mama hatte ihren kleinen Sohn auf dem Arm.. ein
Kennenlernen ... ein Verabschieden.. ein Versuch zu verstehen.. das kann
man nicht.. wie sollte man das können...
Ich nahm Silas vorsichtig hoch und legte ihn in den Arm des Papas.. die Welt
schien still zu stehen... ich fotografierte ... und irgendwann stand ich einfach
da.. schaute die Beiden an.. fragte nach einer Weile, ob ich Silas auch noch
alleine fotografieren soll.. der Papa sagte, er kann ihn grad noch nicht los
lassen.. oh man.. ich stand einfach da.. wartete.. keiner sagte was.. ich
versuchte meine Fassung zu bewahren.. und dann .. irgendwann sagte der
Papa: jetzt kann ich ihn hinlegen.. Vorsichtig legte er Silas auf das Bett der
Mama.. ob ich auch seine Ohren fotografieren könne.. war ihr Wunsch.. Ich
fotografierte alle, was ich fotografieren konnte.. immer darauf bedacht, jede
noch so kleine Erinnerung festzuhalten.. es gibt ja nur diese eine Chance..
zwischendurch nahm ich immer mal wieder das Handy des Papas und
machte auch damit Bilder..
Später kam die Schwester rein und ich half ihr Fuss- und Handabdrücke zu
machen.. vorsichtig säuberten wir die kleine Hände und Füße wieder von der
blauen Farbe.. auch diese Erinnerungen.. so wichtig...
Danach „packten“ wir Silas kuschelig ein.. und legten ihn vorsichtig in sein
Bettchen.. für mich war es an der Zeit zu gehen.. ich verabschiedete mich
von der Familie und fuhr schweren Herzens nach Hause.. und dachte immer
wieder an diesen hübschen Jungen.. von dem ich dachte, er macht jeden
Moment seine Augen auf..
Wenige Tage später brachte ich den Umschlag mit den Bildern und dem Buch
für die Geschwister zur Post.. am nächsten Tag rief mich der Papa an.. und bedankte sich für die so wunderschönen Bilder von Silas.. er sagte, er bringe
sie nachher zu seiner Frau ins Krankenhaus.. sie wäre fast gestorben – es
gab Komplikationen .. keiner weiß genau, wie lang sie da bleiben muss.. Ich
ging gerade mit dem Hund, als ich diesen Anruf entgegen nahm und blieb
stehen.. kaum konnte ich glauben, was ich da gehört habe.. der Papa
erzählte mir, was passiert war und ich dachte nur: hat diese Familie nicht
schon genug an dem „Päckchen“ zu tragen, welches ihnen auferlegt wurde?
Oh man..
Ich bin mit der Familie noch in Kontakt und zum Glück konnte die Mama
schon wieder nach Hause.. und kann nun hoffentlich anfangen, das Ganze zu
begreifen.. verstehen wird das wohl keiner von uns...
Ich danke euch für’s Lesen. Und ich danke meinen lieben Kollegen und
Kolleginnen von Dein-Sternenkind – wir konnten bis jetzt jedes Kind
fotografieren, zu dem wir gerufen wurden... Wir sind ein klasse Team – danke...
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