Die gewaltsame Fehlgeburt unseres Sternchens

Die gewaltsame Fehlgeburt unseres Sternchens

Man hört und liest in den letzten Monaten immer öfter von “Gewalt in der Geburtshilfe”. Frauen erzählen was ihnen widerfahren ist, in der Hoffnung dass sich etwas ändert und das finde ich ganz toll. Ich habe selbst drei Geburten erlebt und eine davon war auch sehr gewaltsam. Was ich jedoch nicht ansatzweise geahnt hätte war, dass selbst eine Fehlgeburt gewaltsam ablaufen könnte. Ich hatte erwartet, dass in solch einem sensiblen Moment jeder Mensch, der einen medizinischen Beruf gewählt hat zu Einfühlsamkeit in der Lage sein müsste. Da ich selbst niemals geglaubt hätte, dass es Frauen so ergehen könnte, möchte ich meine Geschichte erzählen, denn ich will, dass so etwas nicht totgeschwiegen wird und zeigen: Ihr seid mit dieser Erfahrung nicht alleine.


Es war der zweite Weihnachtsfeiertag. Wir hatten Freunde und Familie eingeladen und wollten an dem Tag noch feierlich eine frohe Nachricht verkünden: Wir erwarten ein Baby. Am Tag zuvor hatten wir es bereits den Eltern meines Mannes verkündet. Unserem einjährigen Sohn hatten wir ein T-Shirt angezogen auf dem Stand “Großer Bruder 2020”. Wir waren voller Freude und gespannt wie unser zweites gemeinsames Kind wohl sein würde.

Nachdem wir Geschenke ausgepackt, gemeinsam gegessen und viel Spaß hatten, wollte ich vor der frohen Nachricht (manche wussten es auch schon, da ich so voller Freude über die Botschaft war, dass ich es einfach nicht für mich behalten konnte) noch einmal zur Toilette gehen. Der Anblick war ein riesen Schock. Das Toilettenpapier war voller frischem Blut. Und es war viel zu viel, als dass es nur eine Schmierblutung hätte sein können.

Ich ging wie benommen zu meinem Mann und sagte ihm “Wir müssen ins Krankenhaus, da war Blut. Viel Blut.” Er fragte meine beste Freundin, ob sie nach unserem jüngsten Sohn sehen könne und verkündete es nun so, wie wir es uns sicher nicht vorgestellt hatten: “Wir müssen ins Krankenhaus, Mandy ist schwanger und blutet stark.” Familie und Freunde wurden plötzlich ganz still. Ein Moment den ich nie vergessen werde.

Im Krankenhaus angekommen wurde ich von einem noch recht jungen Arzt untersucht. Er machte einen Ultraschall und nach längerer Suche sagte er: “Ich kann keine Herzaktivität feststellen.” Ich musste sofort schrecklich weinen. Er zeigte mir noch die Durchblutung mit einem farbigen Ultraschall und sagte: “Sehen Sie, auf dem Kind ist keine, dort müsste aber eine sein. Gehen Sie aber morgen besser nochmal zu ihrem Frauenarzt und wenn dieser keinen Herzschlag findet, kommen Sie nochmal, dann machen wir eine Ausschabung.”
Moment mal, wie Ausschabung? Das ging mir alles viel zu schnell. Bis gerade hatten wir uns doch ausgemalt wie es wohl sein würde, wenn unser Sohn und meine zwei großen ihr Geschwisterchen kennenlernen würden. Uns auf erste Tritte und die Kuschelzeit gefreut. Und nun war von Ausschabung die Rede? Ich konnte es einfach nicht fassen. Den ganzen Weg aus dem Krankenhaus hinaus konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten. Im Auto fragte ich meinen Mann: “Was meint er denn mit, ‚wenn mein Frauenarzt auch keinen Herzschlag feststellen kann‘? Ist unser Baby nun tot oder nicht?” Mein Mann konnte mir darauf keine Antwort geben. Ich geriet in Panik. “Wie soll ich denn die Nacht aushalten ohne zu wissen was nun mit unserem Baby ist?” Wir beschlossen in eine weitere Klinik zu fahren. Ich wollte nicht bis morgen warten, eine zweite Meinung zu hören.

In der zweiten Klinik hatten wir das Glück auf eine sehr herzliche, kompetente Ärztin zu treffen. Sie hat lange geschallt und uns toll aufgeklärt. Sie konnte einen schwachen Herzschlag feststellen, meinte aber, dass dieser so langsam sei, dass sie kaum Hoffnung habe, dass unser Baby überleben würde. Wir sollten und darauf einstellen, dass sich unser Krümel in der Nacht verabschieden würde. Sie nahm mich auf, ordnete Progesteron und Magnesium an und sagte: “Morgen früh schauen meine Kollegen nochmal, ich wünsche Ihnen ein Wunder.”

Ich verabschiedete mich lange und tränenreich von meinem Mann und ging etwa eine Stunde nach der Untersuchung auf mein Zimmer.

An Schlaf war nicht zu denken. Ich habe die ganze Nacht geweint. Verzweifelt und doch voller Hoffnung, unser Baby würde es vielleicht schaffen. Ich legte meine Hände auf meinen Bauch und sagte zu unserem Baby: “Wenn du kannst, dann kämpfe mein Krümelchen. Aber wenn du gehen musst, dann komm gut rüber. Ich liebe dich, egal was passiert.”

Da ahnte ich nicht im Entferntesten, was für ein Horror noch auf mich zukommen würde.

Um ca.10:00 wurde ich zur Untersuchung auf die gynäkologische Ambulanz geschickt. Mein Mann war bereits wieder bei mir und begleitete mich. Dort angekommen habe ich dann noch ca 20 Minuten im Untersuchungsraum auf die Ärztin gewartet. Die Zeit kam mir wie Stunden vor.

Als die Ärztin in Begleitung einer sichtlich schlecht gelaunten Schwester herein kam, sagte sie ohne Begrüßung oder gar vorheriges Gespräch: „Bitte untenrum frei machen und auf den Stuhl.“ Ich stand auf und merkte plötzlich, wie es nur so aus mir heraus lief. Völlig geschockt sagte ich: „Es kam grad ganz viel aus mir raus!“ Die Ärztin fragte: „Sind sie nach Bettruhe das erste mal gelaufen bis hier her?“ Ich bejahte. „Ahja. Machen Sie sich frei und auf den Stuhl, wir gucken.“

Die Vorlage hatte nicht gereicht um all das Blut aufzunehmen. Der Anblick war schrecklich für mich. Ich wusste, dass dies nichts Gutes bedeuten konnte. Als ich gerade meine Hose ganz ausgezogen hatte, lief mir auf einmal das Blut wie in Bächen an den Beinen herunter. Plötzlich wurden alle hektisch (Schwester, Ärztin) und vor allem die Schwester war voller Sorge ich könnte zu viel versauen. „Nehmen Sie Tücher, los Tücher!“ „Jetzt auf den Stuhl! Beine hoch los!“ Anweisungen im fast aggressiven Befehlston. Die Schwester sagte irgendwas von einem Putzmittel, von dem keines mehr hier wäre und dass sie dieses nun auf dem Kreißsaal holen gehen müsse. Inzwischen lag ich voller Angst und Trauer auf dem Stuhl.

Ohne Vorwarnung hatte ich plötzlich Instrumente in mir. Und das sehr grob. Die Ärztin schaute kurz, nahm die Geräte aus mir raus. Sie steckte mir hektisch und wiederum ohne Vorwarnung das Ultraschallgerät rein, rührte damit in mir herum. Ohne vorher etwas zu mir zu sagen greift sie zum Telefon in ihrem Kittel: „Kannst du kurz kommen? Habe … (Sie sagte sowas wie akuten Abort) hier“ Noch immer kein Wort zu mir. Ich wusste nur, dass Abort Fehlgeburt bedeutete.

Unmittelbar danach kam eine weitere Ärztin ins Untersuchungszimmer. Sie schaut kurz auf den Monitor, übernimmt das Ultraschallgerät, rührt ebenfalls grob in mir rum. „Nein ist kein Baby mehr da. Noch etwas Koagel das ziehe ich schnell dann braucht Sie keine Ausschabung.“ Ich frage “Noch etwas was?” Sie sagt einfach lauter: “KOAGEL!” Ich: “Ich weiß nicht was das ist!” Doch darauf reagierte sie nicht. Sie zog das Ultraschallgerät heraus, da merkte ich wie etwas Festes aus mir raus flutschte. Ich lag weinend an die Decke starrend da als man mir 4 oder 5 Instrumente zu zweit einführt, es kratzt, schabt, tut weh. Ein Instrument rutscht ab, schrammt an meiner Klitoris entlang. Meine Ohren klingeln vor Schmerz, ich denke kurz mir wird schwarz vor Augen. Kein „Entschuldigung!“ stattdessen „Ups!“. Instrumente raus, Ultraschall ein weiteres Mal ohne Vorwarnung rein. „Ok, ist alles draußen“. Alles in einem Tempo als wäre es eine Not-Op.

Sie untersuchte was aus mir rauskam. Auf Nachfrage von meinem Mann, der das ganze Geschehen etwa einen Meter entfernt beobachten musste, zeigt sie Ihm kurz was sie untersucht hatte: „Da ist Fruchtblase, darin ist Baby.“ ich stammelte dreimal ob ich es auch sehen darf. Erst als mein Mann energisch sagt: „Meine Frau würde es auch gerne sehen!“ zeigte sie es mir genervt. Ich durfte einen kurzen Blick, auf dieses wunderschöne Wesen erhaschen. Es war etwa so groß wie die Kuppe meines Daumens. Man sah seine Augen, seine Ärmchen und Beinchen. Ich war verliebt und trotzdem so traurig dass es mit Worten überhaupt nicht zu beschreiben ist. Die Ärztin erklärte „Ist nur Pünktchen, war noch nicht viel.“ Die Schwester unterbrach den Moment mit den Worten: „Ich sage der Nächsten, sie soll dann nochmal zurück aufs Zimmer gehen. Das dauert bis hier alles sauber ist“. Die Ärztin sprach dann endlich mal mit mir: „Ist alles draußen. Sie brauchen keine Ausschabung. Kollegin kommt gleich auf Zimmer und gibt Oxytocin. Dann können Sie heim.“ Zur Kollegin: „Gib ihr IM, geht schneller.“

Kein Mitgefühl, kein tröstendes Wort, keine weitere Erklärung.

Ich weiß gar nicht mehr wie ich überhaupt in meine Klamotten gekommen bin. Wie ferngesteuert verließ ich das Untersuchungszimmer und lief in den Gang wo mein Zimmer war. Dort fiel ich meinem Mann weinend in die Arme.

Ich kam mir vor wie ein Stück Fleisch, wie Fließbandarbeit, ausgeliefert, nur eine Nummer. Mir wurde NICHTS vorher, währenddessen oder danach erklärt. Es wurde fast nur über mich statt mit mir gesprochen. Und die größte Sorge war, dass man nun putzen musste....

Ich weiß, die Ärzt*innen und das Pflegepersonal haben es nicht leicht im Klinikalltag. Aber ist ein wenig Empathie in einer solchen Situation denn wirklich zu viel verlangt? Ich hatte gerade mein Kind verloren. Auch wenn das für das Personal dort etwas alltägliches ist, war es für uns die Welt. Ein Moment an den wir uns für immer erinnern werden. Die Ärztinnen hatten uns vermutlich am nächsten Tag schon wieder vergessen.


Warum hat man sich nicht die Zeit genommen mir zu erklären was als nächstes passieren würde. Das hätte man einfach tun können, während man die Instrumente in die Hand nimmt und kurz bevor man sie einführt. Es gab kein Wort des Trostes, geschweige denn Mitgefühl. Darüber, dass es für Babys die leichter als 500g zur Welt kommen, eine Sammelbestattung gibt, wurde kein Wort verloren. Darüber, dass die Klinik eine Seelsorge hat auch nicht. Erst zuhause wurde mir bewusst, dass unser Baby mit dem Klinikabfall entsorgt worden ist. Dieser Gedanke lässt mich nicht schlafen. Ich hätte sternenkinder fotos machen wollen, um diesen kurzen Moment den wir mit unserem Baby hatten festzuhalten. Leider war ich zu benommen um an so etwas zu denken. Warum hat die Ärztin mir das nicht angeboten? Die sternenkinderfotografie durch einen sternenkinder fotograf wäre so wichtig gewesen.

Wir sind unendlich traurig über unseren Verlust. Und darüber hinaus noch auch noch traumatisiert. Und Letzteres hätte so leicht verhindert werden können und hätte die beiden Ärztinnen NICHTS gekostet.

Mein Mann sagte mir, er hätte das Baby gerne länger und genauer gesehen. Ich zeigte ihm sternenkinder fotos von anderen Babys die so früh zur Welt kamen, doch das ist natürlich nicht das Selbe...

Wir sind nun Eltern eines Sternchens. Und viele werden vermutlich wie diese Ärztin über diesen „Zellhaufen“ denken. Aber wir trauern um das Glück das wir verloren haben und um Träume die nun nie wahr werden. Um unser Kind, das nicht leben darf und das tut unglaublich weh.

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